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Blues, Brexit, Bier - BiG-Talk mit Bobby Latchford

Wenige Tage nach dem Finale der Fußball-Europameisterschaft 2016 trafen sich Anke und Tom von „BiG - Bluenoses in Germany“ mit Blues-Legende Robert Dennis „Bobby“ Latchford in einem Café in Nürnberg, in dessen Nähe der heute 65-jährige mit seiner Frau Andrea und den beiden Kindern (13 und 10 Jahre) lebt.

Anke Reinitz, Bobby Latchford und Tom Kleine
Anke (l) und Tom (re.) von "BiG" trafen sich mit Blues-Legende Bobby Latchford in Nürnberg.

Der 12-fache englische Nationalspieler, der sowohl bei Birmingham City (160 Spiele, 68 Tore) als auch bei Everton (236 Spiele, 106 Tore) noch heute Kult-Status genießt, nahm sich viel Zeit, um über viele Dinge auf und außerhalb des Fußballfeldes zu plaudern.

 

Vor einigen Tagen ging die Fußball-EM 2016 zu Ende. Dein Fazit?

BL: Ich muss gestehen, dass ich nicht viele Spiele verfolgt habe, vielleicht 40 %. Als Familienvater waren die Anstoßzeiten um 15 Uhr und 18 Uhr nicht immer optimal für mich. Die Halbfinal-Spiele habe ich komplett verpasst. Und die erste Halbzeit des Finales ebenso, da ich auf einer Geburtstagsparty war. Insgesamt fand ich das Niveau der EURO nicht besonders hoch. Es war kein besonders aufregendes Turnier. Die Top-Teams haben nicht alles abrufen können. Lediglich Deutschland und Italien haben mal etwas Neues probiert. Deutschland hat mit hohem Tempo gespielt, aber vorne nicht getroffen. Für Freude haben Island, Wales und Nordirland gesorgt.

 

Hat Portugal verdient gewonnen?

BL: Ja, zumindest das Finale. Sie haben in diesem Spiel mehr investiert und die Basics des Fußballs gut umgesetzt: gut verteidigen und Tore schießen. So einfach kann Fußball sein (lacht…). Bei Frankreich haben insbesondere die Top-Spieler Payet, Griezman und Pogba im Final nicht viel gezeigt. Vielleicht war der Druck im eigenen Land zu groß.

 

Deine Einschätzung zum englischen Team?

BL: England hatte einige gute, talentierte Jungs im Kader, hat aber als Team nicht funktioniert. Der Motor hat zu sehr gestottert.

 

Ein neuer Nationaltrainer wird gesucht. Jürgen Klinsmann wird hoch gehandelt.

BL: Ich kann Klinsmann nicht als Trainer einschätzen, dafür ist die USA zu weit weg vom europäischen Fußball. Er wäre aber zumindest eine gute Alternative, wenn es um neue Trainingsmethoden geht. Zumal derzeit auch kein englischer Top-Trainer zur Verfügung steht.

"Der BREXIT ist ein totales Desaster!"

Tom Kleine und Bobby Latchford
Men at Work.

Ein weiteres wichtiges Thema: der BREXIT.

BL: Der BREXIT ist ein totales Desaster für jeden Menschen in Europa. Ich befürchte nun einen Domino-Effekt mit Unruhen in anderen europäischen Ländern und das Auseinanderbrechen Großbritanniens. Viele, gerade ältere Labour-Wähler, fühlen sich durch Europa wirtschaftlich benachteiligt und sind auf Versprechen der BREXIT-Befürworter angesprungen. Ich befürchte, dass viele Menschen die Gefahren nicht erkennen, die in vielen Ländern nun von rechten Populisten auf uns zukommen. Ich hoffe, Theresa May bekommt die Sache in den Griff. Zumindest gilt sie als zielgerichtete Politikerin, die weiß, was sie will.

 

Hast Du als Engländer, der in Deutschland lebt, konkrete Nachteile durch den BREXIT?

BL: Und ob. Ich werde in Pfund bezahlt und das Pfund geht nun runter. Auch meine Krankenversicherung regel ich über Großbritannien. Ich verliere definitiv einiges an Geld. Ob es zukünftig für mich, meine deutsche Frau und unsere beiden Kinder Hindernisse bei der Ein- und Ausreise nach England geben wird, auch das ist derzeit eine große Unbekannte.

 

Seit wann lebst Du in Deutschland und wie gefällt Dir das Leben hier?

BL: Nach unserem Umzug aus Salzburg in Österreich leben meine Familie und ich nun seit 2005 in der Nähe von Nürnberg. Das Leben in Deutschland ist in den letzten Jahren teurer geworden. Und ich spüre die Verunsicherung bei den Menschen hier, wenn es um das Thema Einwanderung geht.

 

Als Engländer musst Du einen Vergleich zum Essen und zum Bier in beiden Ländern treffen…

BL: Beim Essen liegen beide Länder gar nicht mal so weit auseinander. Sowohl England als auch Deutschland sind „Kartoffel- und Fleisch“-Nationen. In England gibt es allerdings viel mehr Auswahl durch die internationale Küche der eingewanderten Menschen. Beim Bier schätze ich die große Auswahl an regionalen Bieren in Deutschland.

 

Und was ist mit dem Humor?

BL: Der englische Humor ist viel sarkastischer und oft sehr schwarz. Die Deutschen gehen dafür viel offener mit Witzen um. Wir Engländer sind da etwas zurückhaltender. Ich wunder mich oft, über welche Witze im TV meine Frau und die beiden Kinder laut lachen, während ich mich frage, was daran jetzt so komisch war (lacht…).

In Birmingham und zwei Gänse im Garten

Bobby Latchford mit seinen Brüdern David und Peter und seinem Vater
Papa Latchford, David, Bobby und Peter. (Foto: A DIFFERENT ROAD)

Erzähl uns über Deine Kindheit und Jugend in Birmingham.

BL: Aufgewachsen bin ich in Kings Heath, also im Süden von Birmingham. Die 60er und 70er Jahre Jahre waren geprägt von einer kulturellen und musikalischen Vielfalt. Ich möchte hier nur stellvertretend Jeff Lynne und ELO nennen. Es gab auch eine Reihe angesagter Nachtclubs, in der wir Spieler ab und an Zeit verbrachten.

 

Wie oft bist Du heute noch in Birmingham?

BL: Leider nicht so oft. In den letzten zehn Jahren war ich vielleicht zwei-, dreimal in Birmingham, zuletzt zur Vorstellung meines Buches. Das liegt aber auch daran, dass ich keine Familie mehr in Birmingham habe.

 

Was machen Deine Brüder heute?

BL: Mein ältester Bruder John lebt im Raum Bristol. David in Alicante in Spanien. Und Peter an der Westküste Schottlands.

 

Haben die drei noch etwas mit Fußball am Hut?

BL: John war ja nie der große Fußballer. Er hatte eine Menge Talent als Verteidiger im Amateurbereich. Aber meine Eltern sprachen sich gegen eine Karriere im Profifußball aus. Er sollte etwas Gescheites lernen (lacht…). David hat mit Fußball heute auch nichts mehr am Hut. Peter ist in Glasgow als Torwart-Trainer in der Celtic-Academy tätig.

 

Bist Du selbst noch im Fußballgeschäft aktiv?

BL: Nicht wirklich. Ab und an nehme ich an Charity-Aktionen teil. Und durch mein Buch wurden alte Kontakte wieder aufgefrischt. Insbesondere mit meinen früheren Everton-Teamgefährten Mick Lyons, der nun in Australien lebt, und Dave Thomas stehe ich noch in Kontakt. Da ich mich im hohen Alter (lacht…) ja noch einmal dazu entschlossen hatte, eine Familie zu gründen, führe ich heute ein normales Familienleben mit Frau, zwei kleinen Kindern, einer Katze, einem Hasen und zwei Gänsen.

 

Zwei Gänsen?

BL: Ja, die geben wir immer bei unseren Nachbarn ab, wenn wir in Urlaub fahren…

Nur 12 Länderspiele: "Ich glaube, es war eine persönliche Sache!"

Bobby Latchford im Trikot der englischen Nationalmannschaft.
(Nur) 12 Kappen im Schrank. (Foto: liverpoolecho.co.uk)

Warum stehen nur 12 Länderspiele in Deiner Bilanz?

BL: Bei der Recherche zu meiner Biografie stellte Autor James Corbett fest, dass ich in den elf aufeinanderfolgenden Jahren zwischen 1972 und 1983 mehr Tore als jeder andere Spieler der First Division erzielt hatte. „Ist das wahr?“ fragte ich James. „Und warum habe ich dann nur 12 Länderspiele?“ (lacht…). Als ich damals in der englischen U 23 spielte, war Alf Ramsey der Coach der englischen Nationalmannschaft. Er glaubte nicht daran, dass ich schon weit genug entwickelt sei, um für England zu spielen. Dann kam das Aus für Ramsey nach der verpassten WM-Qualifikation 1974 gegen Polen. Aber auch Joe Mercer und Don Reevie gaben mir nicht wirklich eine Chance und zogen Spieler wie Paul Mariner vor. Ich glaube, es war mehr eine persönliche Sache. Das gleiche Problem hatte Peter Shilton auch, der auch nicht an Ray Clemence vorbeikam. Unter Ron Greenwood hatte ich noch die Hoffnung, für die EM 1980 nominiert zu werden. Aber auch das hat leider nicht geklappt.

 

Die ganz großen Erfolge blieben in Deiner Karriere also aus. Insbesondere während Deiner Zeit bei Everton musst Du doch vor Neid geplatzt sein, wenn Du an den großen roten Rivalen aus der Stadt gedacht hast?

BL: Absolut nein. Ich bin und bleibe ein Evertonian! Ich habe bei Everton jede einzelne Minute genossen, auch wenn wir keine Pokale gewonnen haben. Ich habe es niemals bereut, zu Everton zu wechseln.

Die neue Saison: FA Cup Finale 2017 zwischen Birmingham und Everton und das Derby

Bobby Latchford im Trikot des Everton FC
Bobby Latchford: "Ich bin und bleibe ein Evertonian!" (Foto: toffeeweb.com)

Wie wird die neue Spielzeit 2016/2017 ausgehen? Für Birmingham City und für Everton?

BL: Bei den Blues rechne ich mit einer ähnlichen Saison wie die letzte. Gary Rowett macht einen hervorragenden Job. Er sorgt dafür, dass Birmingham City einen guten Weg eingeschlagen hat. Überlebenswichtig für den gesamten Club wird es sein, dass die Owner-Geschichte bald zu einem glücklichen Ende kommen wird. Bei Everton dürften die Erwartungen hoch sein. Ein neuer Manager (Ronald Koeman, d. Red.), dazu wichtige Änderungen im Vorstand. Ich glaube, Everton wird etwas besser abschneiden als letzte Saison, als sie Elfter wurden. Eigentlich wäre Platz 6 drin gewesen, aber es gab doch einige unglückliche und knappe Niederlagen zu viel. Um im Konzert der Großen mitzuspielen, müsste Everton ein neues Stadion bauen oder zumindest den Goodison Park erweitern.

 

Im Mai 2017 werden sich Birmingham City und Everton im FA Cup Finale gegenüberstehen. Zu wem hältst Du?

BL: Da kann und werde ich mich nicht festlegen. Meine Seele kommt aus Birmingham. Aber Everton ist meine große Liebe.

 

Und sollte es dann zum Elfmeterschießen kommen…

BL: …verlasse ich das Stadion (lacht).

 

Wir Blues-Fans fiebern dem Derby gegen V**** entgegen. Was erwartest Du vom Second City-Derby?

BL: Das wird ein hartes Stück Arbeit für die Blues. Aston Villa wird sich nach dem Abstieg schnell fangen. Noch so eine Katastrophen-Saison legen die nicht hin. Auch finanziell liegt Villa deutlich vor den Blues. Viel Hoffnung kann ich den Blues-Fans leider nicht machen.

 

Du hast dieses Derby nie gespielt.

BL: Das ist richtig. Zu meiner Zeit im St. Andrew’s war Villa immer unter uns.

 

Hattest Du nie ein Angebot von V****?

BL: Doch, hatte ich. Zur Saison 1979/80 habe ich ein Angebot von Villa bekommen. Aber ich konnte keinesfalls dorthin wechseln. Ich war und bin ein Junge aus Birmingham. Deswegen hatte ich auch zu meiner Zeit als Jugendspieler mal ein Angebot der Wolves ausgeschlagen. Aber bei denen gefiel mir das goldene Trikot auch nicht (lacht…).

 

Ein Satz über Jürgen Klopp?

BL: Klopp ist eine Bereicherung für die Premier League. Wenn er nun Zeit und Ressourcen bekommt, um eine Mannschaft nach seinen Wünschen aufzubauen, dann wird der den Erfolg nach Liverpool zurückbringen.

 

Welcher Trainer hat Dich am meisten beeinflusst?

BL: Freddy Goodwin, ganz klar. Ohne ihn würden wir heute nicht hier sitzen und über mich und meine Karriere plaudern. Freddy hat mich in allen Bereichen geformt. Er hat mich früh zum Seniorenspieler gemacht. Na ja, vielleicht lag das auch daran, dass Birmingham City kein Geld für teure Transfers hatte (lacht…).

"Trevor hätte Rooney im Eins gegen Eins keine Chance gelassen."

Bobby Latchford im Trikot der Blues

Wie war die Zeit mit Trevor Francis?

BL: Unfassbar gut. Trevor war der talentierteste Spieler, mit dem ich jemals zusammen gespielt habe. Er war mit 16 Jahren besser als Wayne Rooney es mit 16 war. Trevor hätte Rooney im Eins gegen Eins keine Chance gelassen.

 

An welche Gegenspieler erinnerst Du Dich gerne oder weniger gerne zurück?

BL: Da gibt es eine ganze Reihe, die mir das Leben schwer gemacht haben (lacht…). Jack Charlton war so einer. Die „Giraffe“ hatte seine Hände und Füße einfach überall (lacht…). Oder Colin Todd. Der hat mich ohne größeren körperlichen Einsatz einfach spielerisch unglaublich gut bekämpft. Roy McFarland, Terry Butcher und Kevin Beattie verfügten ebenfalls über hervorragende Defensivqualitäten.

 

Welches war Dein wichtigstes Tor für die Blues?

BL: Ich denke, das Aufstiegstor 1972. An die Schulter, rein ins Tor. Unvergessen.

Aufstiegsparty und deutsche Blaunasen

Am Ende des Interviews gab es noch eine Autogrammstunde für die deutschen Blaunasen.
Am Ende des Interviews gab es noch eine Autogrammstunde für die deutschen Blaunasen.

Apropos Aufstieg. Sollte es bei unseren Jungs bald klappen, dann hättest Du doch bestimmt einen Aufstiegspartytipp?

BL: Das Wichtigste: Erst einmal aufsteigen (lacht…). Die Party ergibt sich dann von ganz allein, die kann man nicht planen. Dass es dann eine Party in Birmingham geben wird, da bin ich mir sicher (lacht…).

 

Was hältst Du von einem Birmingham City Supporters Club in Deutschland?

BL: Das ist unglaublich. Zumal Ihr Euch ja auch erst im vergangenen Jahr gegründet habt. Ein Supporters Club von Arsenal, Chelsea oder Manchester United in Deutschland, das würde vielen einleuchten. Aber von Birmingham City? Respekt, eine unfassbar gute Geschichte.

A DIFFERENT ROAD

Bobby Latchford und Anke Reinitz präsentieren die Biografie von Latchford
"A different Road" - Absolut lesenswert.

Wie entstanden die Idee und der Titel zu Deinem Buch?

BL: James Corbett hat mich in vielen Gesprächen davon überzeugt, dass es wohl viele Menschen gibt, die sich für mich und meine Geschichte interessieren. Ich war lange unsicher, zumal viele Details meiner Karriere schon so lange her und in Vergessenheit geraten sind. Aber es hat Spaß gemacht, sich an viele Dinge zu erinnern. Der Titel „A DIFFERENT ROAD“ entstand hier in Nürnberg, als James und ich in einem Pub über das Buch sprachen und einen Titel suchten. Da ich in meinem Leben auf und abseits des Fußballplatzes so viele Höhen und Tiefen erlebt habe, kamen wir irgendwann auf „A DIFFERENT ROAD“.

 

Wohin wird Dich Dein weiterer Weg führen?

BL: Das Leben ist viel zu kurz, um sich an den nicht so positiven Dingen aufzuhalten. Aus der Vergangenheit lernen und sein Leben jetzt zu genießen, das ist mein Weg. Es gibt nicht viele Menschen, die so wie ich ein neues Leben in einem neuen Land mit einer neuen Frau und Kindern begonnen haben. Am Ende eines jeden Weges wird es andere Wege geben.

Wir wünschen Dir von ganzem Herzen viel Glück auf all deinen zukünftigen Wegen und bedanken uns bei Dir für die Zeit, die Du Dir für uns genommen hast.

 

KEEP RIGHT ON, Bobby Latchford!

Links

Das Buch "A DIFFERENT ROAD"

Die Biografie von "A DIFFERENT ROAD" kann HIER bestellt werden.